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Frauen im Discgolf – Ein Kommentar

Ein Freund aus mei­ner Disc­golf-Bezugs­grup­pe stieß mich auf einen Bei­trag von dr.delay („Die idea­le Disc-Gol­fe­rin“), in dem der Autor sich für mehr Frau­en im Disc­golf aus­spricht. Sei­ne Inten­ti­on ist gut, den­noch spie­gelt der Arti­kel eini­ge Aspek­te wider, die mei­ner Mei­nung nach in direk­tem Zusam­men­hang mit der gerin­gen Frau­en­be­tei­li­gung im Disc­golf stehen.

1.) Der Arti­kel spricht aus­drück­lich nur Män­ner an. Es wird gar nicht erwar­tet, dass auch Frau­en ihn lesen könn­ten. Sozio­lo­gisch gese­hen haben wir hier eine In-Group-/Out-Group-Auf­tei­lung, also eine sozia­le Abgren­zung, die Inklu­si­on eher erschwert. Wel­che Frau wür­de da nach dem Lesen sagen, hey klingt gut, ich fühl mich ange­spro­chen, das pro­bier ich mal aus. Ich wahr­schein­lich eher nicht.

2.) Außer­dem ist auch das Framing her­vor­zu­he­ben. Es geht im Arti­kel um Frau­en – wel­che The­men müs­sen also genannt wer­den? Gutes Aus­se­hen und Romantik/Erotik. Stellt euch mal kurz vor, ihr wärt eine les­bi­sche Frau und/oder euer Aus­se­hen wäre für euch ein völ­lig irrele­van­tes The­ma oder eine Frau, die sich trotz Auf­wach­sens in einer Welt, in der sie stän­dig danach beur­teilt wird, einen Pups um ihr Aus­se­hen schert. Habt ihr? Gut. Und dann den Arti­kel noch­mal lesen. Was stellt ihr fest?

Nichts für ungut dr.delay, dei­ne Inten­ti­on ist wie gesagt her­vor­zu­he­ben. Als Ergän­zung aber jetzt auch noch­mal eine per­sön­li­che Stel­lung­nah­me zur The­ma­tik aus der Per­spek­ti­ve einer Frau.

Zunächst habe ich selbst das gro­ße Ver­gnü­gen, dass die Geschlech­ter­zu­ge­hö­rig­keit in mei­ner klei­nen Peer Group qua­si kei­ne Rol­le spielt, obwohl die­se haupt­säch­lich aus Män­nern besteht. Wir sind ganz ein­fach alle Men­schen, die gemein­sam den schöns­ten Sport der Welt betrei­ben. So ist das. War­um auch nicht.

Trotz solch idea­ler Bedin­gun­gen habe ich lan­ge gebraucht, um mich für die Sport­art zu begeis­tern und ihr einen Groß­teil mei­ner Frei­zeit wid­men zu wol­len. Der ers­te Kon­takt zu Disc­golf in mei­nem Freun­des­kreis wur­de durch eine Freun­din ver­mit­telt, die uns auf eine Run­de mit­nahm. Allen gefiels, aber irgend­wie wars das für uns dann erst­mal gewe­sen. Ein paar Jah­re spä­ter war ich für ein paar Mona­te im Aus­land und als ich zurück­kam, spiel­ten plötz­lich alle regel­mä­ßig Disc­golf und hat­ten sich bereits fun­dier­te Fähig­kei­ten ange­eig­net. Rich­tig gut, dach­te ich, und ging mit.

Nun war ich die Ein­stei­ge­rin zwi­schen all den Kön­nern (nicht sicher, ob auch Kön­ne­rin­nen dabei waren). Klar klappts beim ers­ten Ver­such nicht beson­ders gut und ich kam mir blöd vor und blieb dar­auf­hin daheim. Wie­der ein paar Jah­re spä­ter woll­te ich es aber doch noch­mal pro­bie­ren, mit Ambi­tio­nen auf Ver­bes­se­rung. Das Ich-seh-so-blöd-aus-und-kann-das-eh-nicht-Gefühl war zwar wie­der da, aber da war auch die ent­spann­te Bezugs­grup­pe, die sich uner­müd­lich im gedul­di­gen Zure­den und im Loben für gute Wür­fe übte, bis sich die Begeis­te­rung verselbstständigte.

Das ist mei­ne per­sön­li­che Geschich­te. Aber ich den­ke, es ist auch die per­sön­li­che Geschich­te vie­ler ande­rer Frau­en, die noch nicht die Über­win­dung gefun­den haben. Und Über­win­dung kos­tet es. Zum Bei­spiel, weil es ein kör­per­be­ton­ter Sport ist und man immer den Bli­cken der Ande­ren (meis­tens halt eben Män­ner) aus­ge­setzt ist. Zum Bei­spiel, weil man sich ab und zu anhö­ren muss, dass der Schrott-Wurf halt typisch Frau ist, denn die kön­nen das ja nicht so gut. Zum Bei­spiel, weil man auf einem Tur­nier von einem Mit­spie­ler gesagt bekommt, dass man doch eine ganz gute Figur habe und lie­ber nicht so wei­te Kla­mot­ten anzie­hen sol­le. Zum Beispiel.

Die meis­ten Frau­en, die ich bis­her gefragt habe, war­um sie nicht mit­kom­men, nen­nen das bereits erwähn­te Ich-seh-so-blöd-aus-und-kann-das-eh-nicht-Gefühl als Grund. Ja, Disc­golf ist ein män­ner­do­mi­nier­ter Sport. Ja, manch­mal hat man kack Erleb­nis­se. Aber mei­ner Mei­nung nach sind die meis­ten Disc­gol­fer den­noch Schät­ze ihrer Spe­zi­es, was den Ein­stieg sicher­lich ein­fa­cher macht als den Ein­stieg in ande­re „Män­ner­sport­ar­ten“.

Da ist aber noch was. Wenn man sich für ein Tur­nier der Ger­man Tour anmel­den will, gibt es ver­schie­de­ne Kate­go­rien. Open, Mas­ter, Grand­mas­ter, und so wei­ter. Also nach dem Kri­te­ri­um des Alters kate­go­ri­siert. Ach so, und dann gibt es noch die Kate­go­rie „Damen“. Hä, was? War­um wird hier denn nicht nach Alter, son­dern plötz­lich nach Geschlecht kate­go­ri­siert? War­um wird für die­se „Damen“ im Nor­mal­fall nur ein Bruch­teil der Start­plät­ze reser­viert? Über­haupt, müs­sen wir uns dann beim Spie­len auch wie Damen ver­hal­ten oder dür­fen wir Frau­en blei­ben? Natür­lich ist es Quatsch, Frau­en die Hälf­te der Start­plät­ze zu reser­vie­ren, denn es spie­len ja eh nur so weni­ge, die Plät­ze wür­den also alle frei blei­ben. Bes­tes Bei­spiel ist das Women’s Glo­bal Event letz­tes Jahr in Schö­nin­gen, bei dem von 52 Start­plät­zen nur 34 von Frau­en belegt waren. Ihr seht, es gibt ein­fach kei­ne Frau­en, die sich bei etwas Ermu­ti­gung trau­en wür­den. Sar­kas­mus Ende.

Das gerin­ge­re Inter­es­se von Frau­en an Disc­golf ist also viel­leicht nicht nur ein emo­tio­na­les, son­dern auch ein struk­tu­rel­les Pro­blem. Wenn es gewollt ist, dass der Anteil erhöht wird, dann müs­sen dafür bes­se­re Vor­aus­set­zun­gen geschaf­fen wer­den, sonst ändert sich nix. Sie­he Frau­en in Führungspositionen.

Trotz­dem: Der Ein­stieg lohnt sich, ihr Frau­en da drau­ßen. Und dazu braucht ihr kei­nen disc­gol­fen­den Freund und auch kei­ne engen Kla­mot­ten, son­dern ledig­lich Bock und viel­leicht ein klei­nes biss­chen Überwindung.

Von daher: Ein­fach machen, Schwes­tern! Ein­fach las­sen, Brü­der! Ein­fach gemein­sam Freu­de haben, Menschen!

Edit: Hier ein lesens­wer­ter Bei­trag zu dem The­ma aus inter­na­tio­na­ler Per­spek­ti­ve. Dan­ke an K. für den Hinweis!

Edit-02: Here is an Eng­lish ver­si­on of the ori­gi­nal con­tri­bu­ti­on by dr.delay and of the com­ment above.